Der Filmer und Aktivist Metin Akdemir begeisterte die Jury mit seiner Idee, das in der Türkei traditionelle Format des «Goldenen Tages» nach Luzern zu bringen.
Aus dem Jurybericht:
Metin Akdemir beabsichtigt in seinem Projekt eine türkische Tradition für zehn Wochen nach Luzern zu bringen: den «Goldenen Tag», an dem Hausfrauen zusammenkommen, um gemeinsam einen
Kisir-Salat zuzubereiten und dabei miteinander zu plaudern. Dabei wird Gold oder Geld gesammelt, das an eine der Frauen geht. Metin Akdemir will diese Tradition auf Frauen* und Queers ausweiten,
in Luzern solche Treffen organisieren und sie fotografisch oder mit der Videokamera dokumentieren … »
Die Jury zeigte sich begeistert von diesem in der Türkei traditionellen Format, das einen lustvollen Austausch über alle Fragen des Lebens erlaubt und die Solidarität zwischen den Teilnehmerinnen
fördert. Indem Metin Akdemir den «Goldenen Tag» in eine neue Umgebung nach Luzern verlegt, baut er eine Brücke zwischen den Kulturen und den Städten. Dabei werden nicht nur die Schweizer*innen
herausgefordert. Auch der Künstler selbst wird seinen Plan, unbezahlte Hausfrauen, Pensionär*innen und Queers zusammenzubringen, an die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Schweiz anpassen
müssen. «KISIR» macht die Küche zum Zentrum eines gesellschaftlich-künstlerischen Kulturtransfers mit unabsehbaren Resultaten und Effekten.
Journalbeitrag von Metin vor seiner Anreise nach Luzern
Aus dem Jurybericht:
«Orhan Pamuks «Museum der Unschuld» und die Frage ihres gemeinsamen Sohnes 'Wo wohnen denn alle diese Hunde in Istanbul?' waren ein weiterer Auslöser der Projektidee. Darin widerspiegelt sich das künstlerische Interesse der beiden Bewerber:innen für eine nicht-westliche Perspektive, welche sie bereits mehrfach für vorherige Projekte eingenommen haben. Repräsentiert eine einflussreiche Hundelobby, die sich für den Schutz der Istanbuler Strassenhunde einsetzt, den allgemeinen Umgang einer Gesellschaft mit Lebewesen? Worin unterscheiden sich die Umgangsformen zu Lebewesen in verschiedenen Kulturen? Wer wird ein- und wer wird ausgeschlossen? Ihr Augenmerk richten Sandra Küpper und Christian Winkler hierbei auf das Thema Ausgrenzung. Die Megastadt Istanbul, ein jahrtausendealter Einwanderungsort, ist für sie der Ort, an dem sich – auf der Basis von Recherchen, Interviews, Geschichten – eine Überhöhung der Realität in einer Fabel über Ausgrenzung entwickeln lässt.»
Überzeugt hat die Jury auch der konzeptuelle Hintergrund sowie die Art und Weise, wie Küpper und Winkler vorzugehen planen. Ausgehend von einem konkreten, einprägsamen und starken Thema, entwickeln die beiden ein gesellschaftspolitisch und künstlerisch anspruchsvolles Projekt, das nicht nur Istanbuls Kunstszene miteinbezieht, sondern darüber hinaus inhaltlich eine allgemeingültige Aussagekraft ausstrahlen möchte.
Dilara Tekin Gezginti und C. Eda Özgener Semerci überzeugten die Jury mit ihrem interdisziplinären Architektur-, Design- und Kunstprojekt. Ihr multimediales Vorhaben machte den Dialog zwischen Istanbul und Luzern zum Thema und erfüllte damit eines der zentralen Anliegen des Kulturstipendiums Armin Meienberg: die Stärkung und Förderung der Beziehungen zwischen Luzern und Istanbul.
Aus dem Jurybericht:
«Im Projekt «Unexpected Urban Superpositions» unternimmt das Künstlerinnen-Duo eine transdisziplinäre Recherche, setzt mit einer simultanen Sammlung von Bildern, Imaginationen und Sounds in
Istanbul und in Luzern einen Dialogprozess zwischen den beiden Städten in Gang. Dabei interessieren sich die beiden Künstlerinnen für visuell ähnliche Stadtbilder und setzen diese
in Beziehung zur sozialen Nutzung eben dieser urbanen Räume durch die Bewohner*innen. Dilara Tekin Gezginti und C. Eda Özgener Semerci erforschen diese vielschichtigen Überlagerungen und
zeigen unterschiedliche Situationen und Zugänge zu Urbanität und Öffentlichkeit in den beiden Städten auf …
Die Jury war nicht nur vom Thema überzeugt, sondern auch von der experimentellen und originellen Vorgehensweise des Künstlerinnen-Duos: Sie sammeln in beiden Städten gleichzeitig Bilder,
Vorstellungen und Sounds, wechseln im Laufe ihrer künstlerischen Forschung den Aufenthaltsort und nehmen so Istanbul und Luzern immer wieder aus einer neuen Perspektive wahr. Die kontinuierlich
anwachsende Sammlung teilen die beiden Künstlerinnen bereits im Entstehungsprozess auf Instagram mit Interessierten. Entstehen wird eine digital verwobene städtische Struktur, in der sich
Architektur, Bilder und Töne beider Städte überlagern werden. Ebenfalls angedacht ist die Präsentation der künstlerischen Forschung in einem Booklet.»
Dilara Tekin Gezginti und C. Eda Özgener Semerci sind Mitbegründerinnen von Atölye Mil 2015, einer Plattform für Architektur, Design und Kunst. Sie haben sie in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Projekten mit Universitäten, Museen und Kunsthochschulen durchgeführt.
Ihr 2020 geplanter Aufenthalt musste pandemiebedingt auf den Frühling 2021 vershoben werden. Sie konnten ihre transdiziplinären Recherche leider nicht wie geplant bei einem öffentlichen Anlass in Luzern präsentieren. Ihr abschliessend produzierter Video-Betrag gibt Interessierten aber einen authentischen Einblick in den faszinierenden Dialog zwischen Istanbul und Luzern, den sie – unter Einbezug eines «open call» an die Bevölkerung – in Gang gesetzt haben. «Unexpected Urban Superpositions» – der Titel des Projekts verspricht nicht zu viel, sondern ist Programm. Hier geht es zum Video
Selin Dettwiler überzeugte die die Fachjury mit ihrem poetischen, biographisch inspirierten, transkulturellen und transdisziplinären Film-Lyrik-Projekt Hüzün. Sie hat ihr Projekt im Herbst 2019 gemeinsam mit Michael Baumann, Drehbuchentwickler und Lyriker, während zehn Wochen in Istanbul verfolgt.
Aus dem Jurybericht:
«Das vertraute Gefühl bekommt plötzlich einen Namen», schreibt Selin Dettwiler und meint damit Hüzün, dieses Gefühl der Melancholie und Sehnsucht, das die in der Schweiz aufgewachsene Tochter einer Kurdin aus der Türkei und eines Schweizers auch hierzulande zuweilen verspürt, dafür aber lange keinen Namen hatte.
Hüzün ist denn auch Ausgangspunkt der visuellen und literarischen Recherche der Filmerin und Teilzeitstudentin der Philosophie und Islamwissenschaft. An unterschiedlichen Orten in Istanbul macht sie sich, zusammen mit Michael Baumann, auf die Suche nach Bildern, Texten, Gedichten und Liedern über Hüzün. Während früherer Aufenthalte in Istanbul machten sie die Erfahrung, dass Lyrik und Literatur bei der Bevölkerung einen viel grösseren Stellenwert haben als in der Schweiz und ganz selbstverständlich zum Leben dazugehören. Selin Dettwiler will den unterschiedlichen Bedeutungen und Wahrnehmungen von Hüzün, sowie den eigenen, biographisch geprägten Sichtweisen nachgehen und diese wiederum in Beziehung setzen mit den Perspektiven ihres Projektpartners. Diese Auseinandersetzungen mit Text und Bild ist eine vielschichtige und transkulturelle.
Bild © Michael Baumann
Selin Dettwiler (*1990) ist im Kanton Solothurn aufgewachsen und lebte bis 2020 in Luzern. Nach der Berufsmatura studierte sie Video an der Hochschule Luzern – Design & Kunst, wo sie 2017 den Bachelor mit Fokus Schnitt abschloss. Heute arbeitet sie als Editorin und macht den Master of Arts in Film der HES-SO, Studienrichtung Schnitt an der ECAL (École Cantonale d’Art de Lausanne) und HEAD-Genève (Haute école d'art et de design).
Stipendium 2019
Von Anfang September bis Mitte November 2019 waren Selin Dettwiler und Michael Baumann mit dem Kulturstipendium Armin Meienberg in Istanbul und haben sich auf die Suche nach Hüzün begeben. Zurück in Luzern arbeiten sie derzeit an der Drehbuchentwicklung zu ihrem essayistischen Kurzfilm, der auch von der Albert Koechlin Stiftung unterstützt wurde. Mit Freude dürfen wir hier schon exklusiv einen Teaser zu ihrer Vorgehens- und Arbeitsweise zeigen.
Selin Dettwiler bewarb sich mit ihrem Istanbuluzern-Projekt «Hüzün» für den Master in Film Editing an der renommierten HEAD/ECAL in Lausanne – und wurde angenommen!
Unser erster Stipendiat aus Istanbul weilte zwischen Mitte August und Mitte November 2018 im Gelben Haus in Luzern.
Aus dem Jurybericht:
Onur Atay (*1986) überzeugte die Jury mit seinem sorgfältigen, gut recherchierten und auf Teilhabe der Luzerner Bevölkerung hin ausgerichteten Projekt «Future
Shelters». Darin thematisiert er die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Bunkern in der
Zentralschweiz. Onur Atay nimmt mit seinem Projekt «Future Shelters» gleich in mehrfacher Hinsicht gesellschaftlich relevante Themen auf. So zum Beispiel die Frage nach der Zukunft von Gebäudetypen, die einst für eine zukünftige Bedrohung gebaut wurden. Es ist damit auch eine Frage nach gesellschaftlichen Zukunftsvorstellungen – sowohl in der Vergangenheit, als auch heute. Mit seiner Fokussierung auf die Sonnenberganlage zielt er zudem mitten in eine aktuelle, lokale, stadtplanerische und kulturpolitische Diskussion.
Unser erster Stipendiat aus Luzern war der freischaffende Fotograf Fabian Biasio. Er weilte von Mitte Mai bis Mitte Juli 2017 in Istanbul.
Aufgrund der damals aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation in der Türkei hat sich die Jury für das Vorhaben von Fabian Biasio entschieden, das sich zentral mit der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation in der Türkei beschäftigt.
Aus dem Jurybericht:
Fabian Biasio bewarb sich für das Kulturstipendium Armin Meienberg mit der Idee, fotografisch das festzuhalten, was in Istanbul heute und jetzt passiert – «Fotografieren, was ist» – im Sinne einer klassischen Fotoreportage.
Die Jury würdigt die Idee von Biasio, sich in den Brennpunkt politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen zu begeben und diese mit der Kamera zu dokumentieren. Bereits in seinen früheren Arbeiten hat Fabian Biasio gezeigt, dass er ein sensibler und vielfältiger Beobachter ist.
Hier erhalten Sie einen Einblick in Fabian Biasios Arbeit, die in Istanbul entstanden ist und auch in einer Fotodok des Tagesanzeigers veröffentlicht wurde.
Fabian Biasio hat Istanbuluzern zudem eine Serie Bilder für ein Postkartenset zur Verfügung gestellt, das Sie auch käuflich erwerben können.
Sieben Postkarten geben einen pointierten Einblick in die fotografische Aktivität Fabian Biasios während seines Stipendiums im Frühling / Sommer 2017. Ihn interessierten die Spuren und
Veränderungen in der türkischen Gesellschaft nach Recep Tayyip Erdogans Verfassungsreferendum vom Frühling 2017.
Wir verkaufen das Set zugunsten von Istanbuluzern für CHF 15.– .
Bestellen können Sie die Karten per Email.