Pia Matthes' Istanbuluzern-Objekte

Im Gegensatz zu Europa gibt es in der Türkei noch eine sehr starke Handwerksszene. Traditionell sind die verschiedenen Handwerke stark mit einer Architektur und Struktur verbunden. Ein traditionelles «Han» hat eine quadratische Struktur mit einem grossen Innenhof für die Anlieferung. Um diesen Hof herum reihen sich auf mehreren Etagen Hunderte von kleinen Handwerksstätten. Jede Werkstatt hat sich auf eine einzige Sache spezialisiert, so dass ein Produkt oft von Werkstatt zu Werkstatt getragen werden muss, um fertiggestellt zu werden. Die einzelnen Geschäfte sind nirgends aufgeführt, so dass sie ihre Kundschaft nur durch Empfehlungen erhalten. In Europa gibt es eine so starke Tradition nicht mehr, und in der Türkei geht die Zahl der Handwerker langsam zurück.
Mein Projekt zielt darauf ab, Traditionen zu verbinden und zu bewahren und sie in die Gegenwart zu bringen. Das Ziel ist es, ästhetische, kulturübergreifende Objekte zu schaffen, die eine kosmopolitische und integrative Botschaft vermitteln und die sozialen Strukturen des Handwerks darstellen. Es soll eine kleine Kollektion entstehen, die verschiedene Handwerke, Kulturen, Geschlechter und Ansichten vereint. Die Objekte sollen Lösungen aufzeigen, wie solche Traditionen im zeitgenössischen Design weitergeführt werden können.

Ein Han in Istanbul: Hier reiht sich traditionelles Kunsthandwerk Tür an Tür

SCHWEIZER SCHINDELN & TÜRKISCHE TEPPICHE
Die Teppich- und Kelimindustrie in der Türkei hat aufgrund der hohen Inflation zu kämpfen. Handgefertigte Produkte brauchen mindestens eine bis mehrere Wochen bis zur Fertigstellung. Billige Arbeitskräfte aus Indien konkurrieren mit dieser Tradition. Harkan Elma aus Konya hat sich deshalb auf die Herstellung von Flickenteppichen spezialisiert. Er näht alte Teppiche zusammen, um neue Stücke herzustellen.
Die Tradition des Schindelns wird in der Schweiz wegen des hohen Arbeitsaufwands nur noch selten bei Neubauten angewendet. Für Renovationen braucht es aber immer noch Leute, die sich damit auskennen. Trix Limacher in Kägiswil spaltet ihre Schindeln noch selbst.

Die Werkstätten von Harkan Elma in der Türkei und Trix Limacher in der Schweiz

Der Wandteppich YAMA erfüllt mein Ziel, die Technik des Schindelns in den Innenraum zu bringen. Der Wandteppich kombiniert Holzschindeln und Teppichschindeln aus verschiedenen Knüpftechniken und Mustern zu einem Bild. Der Wandteppich zeigt eine Vielzahl von verschiedenen Stilen wie Konya Sille, Milas, Karaman, Usak und Sumak-Azeni.
Auf dem Foto sind die Holzschindeln noch aus Papier, weil mein Projekt in Istanbul noch nicht abgeschlossen ist. Sie werden durch Holzschindeln ersetzt, sobald ich wieder in der Schweiz bin.

BÜRSTEN MACHEN & DRECHSELN
Viele Länder haben die Tradition des Drechselns gemeinsam. In Istanbul ist die Holzbearbeitung besonders beliebt. Zafer Atmaca hat sich auf die Herstellung von Kleinserien spezialisiert.
Josef Klein ist einer der letzten verbliebenen professionellen Besenbinder in Deutschland. In der Schweiz ist das Handwerk fast ausgestorben und die Besen werden industriell hergestellt. Gelegentlich wird das Besenbinden in sozialen Einrichtungen wie Werkstätten für Sehbehinderte angeboten.

Die Werkstätten von Zafer Atmaca in der Türkei und Josef Klein in Deutschland

Mein Ziel bei diesem Objekt war es, die Technik des Bürstenmachens auf andere Gegenstände als einen Besen anzuwenden und diesem Handwerk dadurch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das Ergebnis dieser Ambition ist der Hocker KUZU. Die Fransen sind keine Tierhaare, sondern recycelte Textilkordeln, die den Sitzkomfort erhöhen. Die Unterseite des Hockers ist hier besonders wichtig, da sie das Handwerk der Besenherstellung sichtbar macht.

SCHWEIZER SCHERENSCHNITT & TÜRKISCHES METALL DRÜCKEN
Manuela Leuenberger ist Regisseurin, Animatorin und Illustratorin in Bern.

Necmettin Arslan ist Polierer im Büyük Valide Han. Eftal Akardere ist Metalldrücker im Büyük Yeni Han und drückt hauptsächlich Silberwaren.

Für das Teetablett entwickelten wir eine Illustration, welche traditionelle Symbolik, wie das Edelweiss und die Tulpe auf einem Ornament im Stile eines Scherenschnitts vereint.

Wird das Tablett gedreht, tanzen die Figuren in einer Animation im Kreis.

Ab dem 12. (bis 21.) April 2024  findet die Mailänder Möbelmesse Dropcity 2024 statt und ich werde dort meine Istanbuluzern-Objekte präsentieren! Ich bin gespannt wie es damit weitergeht …

 

www.piamatthes.de

 

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