Cem und Onur in Luzern

Ein Interview von Regula Jeger mit Cem Gezginti und Onur Dağdeviren

ergänzt mit Anmerkungen von Istanbuluzern

Die beiden Musiker Cem Gezginti und Onur Dağdeviren aus der lauten, nie zur Ruhe kommenden Metropole Istanbul, weilen auf Einladung von Istanbuluzern drei Wochen in Luzern. Sie wollen den Sound dieser Stadt kennenlernen und mit «City Noise – Istanbuluzern» eine Klanglandschaft komponieren, die hier ihre Uraufführung findet.

 

Onur studierte Komposition in Ankara am staatlichen Konservatorium von Başkent und schloss seinen Sonic-Arts-Master an der Technischen Universität in Istanbul ab. Er konzentriert sich heute hauptsächlich auf das Design und die Programmation digitaler Instrumente und interaktiver Musiksysteme, die er entwickelt und für seine Werke nutzt. Er gibt gelegentlich Konzerte auf Istanbuls experimentellen Bühnen. Cem musizierte lange mit akustischen Instrumenten und bezieht in den letzten Jahren immer mehr digitale Elemente in seine Arbeiten ein. Er widmet sich seit einiger Zeit dem Thema «Field Recordings», d.h. Aufzeichnungen von nicht eigens erzeugten Klängen, natürlichen Schallereignissen oder vorgefundener Klanglandschaften ausserhalb eines Tonstudios.

 

Nach einer Woche in Luzern haben sie schon einiges erlebt und Eindrücke gesammelt und wir haben sie danach gefragt.

 

Das gefreute Ankommen in Luzern, inkl. Besuch des Eröffnungskonzertes von Lucerne Festival und der Streetparade (ohne Bild ; )

 

Welche Gemeinsamkeiten verbinden Istanbul und Luzern und in welcher Beziehung unterscheiden sich die beiden Städte für Euch?

Sowohl Istanbul als auch Luzern sind touristische Städte, so dass man auf der Strasse viele verschiedene Sprachen hören kann. Auch das Wasser hat in beiden Orten eine grosse Bedeutung für das Stadtleben. Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Städte ist, dass sie ein sehr aktives kulturelles Leben haben.

Da Istanbul im Vergleich zu Luzern viel grösser und überfüllter ist, ist das Stadtleben in Istanbul schneller und lauter und hat ein ermüdendes Tempo. Luzern ist in dieser Hinsicht genau das Gegenteil von Istanbul! In Luzern kann man nachts die Stille geniessen, was in Istanbul unmöglich ist, da die Stadt niemals schläft. Und das Velo als Transportmittel ist in Istanbul nicht sehr häufig anzutreffen …

Anmerkung: Cem und Onur kurven hier in Luzern mit zwei alten Damenfahrrädern herum, die Gabi Kopp ihnen besorgt hat.

 

 

Was ist euch in den ersten Tagen eures Aufenthalts in Luzern besonders aufgefallen?

Die Stadt hat eine sehr friedliche Atmosphäre, die man – kaum angekommen – sofort spürt. Wir waren etwas besorgt über die strengen Regeln, von denen wir gehört haben. Wie zum Beispiel, dass man nach 22 Uhr nicht mehr duschen darf. Aber es stellte sich heraus, dass dies nicht der Fall ist : ). Anmerkung: Zumindest nicht in der Teiggi in Kriens ; )

Luzern ist eine wunderschöne Stadt mit einer herrlichen Natur und freundlichen Menschen.

Ausserdem war die Stadt am Abend unserer Ankunft so ruhig, dass der Lärm unserer Rollkoffer das einzige Geräusch war und ich (Onur) mich entschied, ihn zu tragen, um den Frieden auf den Strassen nicht zu stören.

 

Diverse anregende Treffen und Begegnungen in Luzern und Kriens mit Kulturschaffenden und dem Vorstand Istanbuluzern

 

Wie erlebt ihr bei eurer Arbeit und bei persönlichen Begegnungen die Menschen in und um Luzern?   

Die positive Energie der Menschen, denen wir in unserer ersten Woche in Luzern begegnet sind, gab uns das Gefühl, sehr willkommen zu sein. Wir hatten die Gelegenheit, hiesige Musiker:innen und Künstler:innen zu treffen und mit ihnen zu essen. Wir hatten eine grossartige Zeit. Wir bekamen viele Geschenke von den Leuten, die wir trafen: Eintrittskarten für Sehenswürdigkeiten, Musikalben, Taschen, lokale Lebensmittel, ...

Bei einer unserer Tonaufnahmen besuchten wir einen Kinderspielplatz und wollten die Geräusche der Schaukeln, Rutschen und Kinderstimmen aufnehmen. Wir fragten eine Familie dort um Erlaubnis, ihre Geräusche aufnehmen zu dürfen und erzählten von unserer Arbeit, woraufhin sie sehr interessiert waren. Als wir ihren Klang aufnahmen, gaben wir ihnen die Kopfhörer und sie waren sehr überrascht von dem, was sie hörten. Sie haben sehr herzig reagiert.

 

Welche akustischen Eindrücke sind von besonderem Interesse für euch?

Wir konzentrieren uns speziell auf traditionelle oder einzigartige lokale Klänge, aber wenn wir unterwegs sind, müssen wir permanent Klänge aufnehmen, was viele Überraschungen mit sich bringt. Gleichzeitig versuchen wir, Schwingungen, die wir mit unseren Ohren nicht hören können, in unser Projekt mit einzubringen, indem wir unsere Vorstellungskraft nutzen und Technik mit einbeziehen. Dafür haben wir auch spezielle Mikrofontypen. Wir haben zum Beispiel zwei Mikrofone, die Magnetfelder auffangen und in Schall umwandeln. Ausserdem haben wir seismische Mikrofone, um Bewegungen im Boden aufzuzeichnen. Wir kategorisieren Klänge nicht als interessant oder uninteressant. Denn eines unserer Ziele ist es, den Menschen aufzuzeigen, dass selbst in den gewöhnlichsten Geräuschen Details stecken können, die es wert sind, gehört zu werden.

 

So arbeiten Cem und Onur in Luzern und in Istanbul

 

Welche Faktoren werden die «Partitur» eurer Komposition «City Noise – Istanbuluzern» bestimmen, die ihr im Mullbau präsentieren werdet? Was möchtet ihr besonders betonen?  

Bei der Erstellung unserer Klangcollagen oder Kompositionen versuchen wir, die Klanglandschaften von Städten zusammenzubringen, indem wir die Ähnlichkeiten und die Kontraste zwischen Städten untersuchen.

Die neuen Klänge, die wir hören, wenn wir zum ersten Mal in eine Stadt gehen, faszinieren und beeindrucken uns, darum ist es unser Ziel, dieses Gefühl zu verstärken und es den Zuhörer:innen zu vermitteln. Daneben haben natürlich auch unsere musikalischen Erfahrungen und unsere Stimmungen einen grossen Einfluss auf unsere Kompositionen.

Zum Beispiel erschreckt mich (Onur) die Vorstellung eines Luzerns mit Istanbuler Verkehr – oder der Klang von Kuhglocken mitten in Istanbul regt mich zum Nachdenken an. Wir wünschen uns, dass unsere Hörer:innen diese Möglichkeiten mit uns erleben.

 

Ihr passt mit Eurem Projekt bestens zu Istanbuluzern und unserem wichtigen Anliegen, eine kulturelle Brücke zwischen Luzern und Istanbul zu schlagen. Ihr teilt aber auch – zu unserer sehr grossen Freude – unsere Leidenschaft für kulinarische Genüsse. Was schmeckt Euch am besten?

Als Erstes können wir natürlich sagen, dass der Schweizer Käse wirklich lecker ist. Ausserdem ist es schwierig, in Istanbul einen guten Speck zu finden, also nutzen wir diese Gelegenheit hier. Und wir haben zum ersten Mal Polenta gegessen, die hat uns sehr gut geschmeckt. Meringues sind auch in der türkischen Küche zu finden, aber mit Greyerzer Doppelrahm und Glacé schmeckt es viel besser. Natürlich haben wir auch verschiedene feine Luzerner Biere probiert. Wir haben aber auch für unsere Schweizer Freund:innen einige Gerichte aus der türkischen Küche gekocht, "acılı ezme" (ein würziges Tomatenmeze) und «çılbır», das nicht einmal Gabi Kopp kannte ; ) Wir verraten Euch hier aber das Rezept! (s. unten)

 

Anmerkung: Gabi Kopp, die die beiden beherbergt, hat sie natürlich auch nach Strich und Faden mit ihren einmaligen Kochkünsten verwöhnt! ; )

 

Das leibliche Wohl kommt nie zu kurz bei Istanbuluzern

 

Çılbır – Pochierte Eier mit Joghurt

DAS REZEPT 

 

Zutaten für 2 Portionen

2 Eier

Salz

Essig

300 g Joghurt (6 EL)

Etwas Paprikaflocken (Pul Biber)

Etwas getrocknete Minze (Nane)

1 Knoblauchzehe, nach Belieben

1/2 EL Butter

 

Pochierte Eier zubereiten

  • In einer Bratpfanne Wasser ( ca. 8 cm hoch) mit Salz und etwas Essig aufkochen.
  • Die Eier aufschlagen und vorsichtig einzeln auf einen kleinen Teller giessen. Eines nach dem anderen ins Wasser gleiten lassen.
  • Bei mittlerer Hitze gut 5 Min. kochen lassen.
  • Eier mit einer Schaumkelle herausheben und in zwei Suppenteller geben.
  • Joghurt aufrühren und nach Belieben eine gepresste Knoblauchzehe dazu mischen.
  • Joghurt über die Eier giessen.
  • Butter mit Paprikaflocken und getrockneter Minze in einer kleinen Pfanne schmelzen lassen und über das Ei und Joghurt giessen.

 Afiyet olsun!

 

Konzert im Mullbau

Mittwoch, 31. August 2022, 19:30 Uhr (Tür und Bar ab 19:00 Uhr)

Mullbau, Lindenstrasse 32a, 6015 Luzern

Kollekte

 

Bilder  zum Konzertanlass finden sich hier